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EnergiewendeAnti-AtomkraftNeue Studie belegt: Mehr Stromsicherheit geht auch ohne Atomkraft

Neue Studie belegt: Mehr Stromsicherheit geht auch ohne Atomkraft

Rund fünf Jahre nach dem Atomausstieg ist das deutsche Stromnetz versorgungssicherer als zuvor. Was für viele Atomkraftbefürworter unglaublich klingt, bestätigt jetzt eine Studie des unabhängigen Analyseinstituts Energy Brainpool.

„Ohne Atomkraft sinkt die Versorgungssicherheit im Stromnetz“: ein immer wieder gehörter Kritikpunkt von Gegnern des 2011 begonnenen deutschen Atomausstieges – auch derzeit wieder,  angesichts neuer AKW-Projekte in zahlreichen europäischen Staaten. Eine aktuelle Studie des Berliner Analyseinstituts Energy Brainpool im Auftrag von Greenpeace Energy zeigt jetzt, dass diese Aussage falsch ist.

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Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. Foto: Tanja Schnitzler / Greenpeace Energy eG, Foto oben: hykoe / fotolia

Denn obwohl in der ersten Hälfte des bis 2022 angelegten Atomausstieges neun AKWs mit einer Leistung von rund 10 Gigawatt abgeschaltet wurden, kam es hierzulande zu deutlich weniger Ausfällen im Stromnetz. Die Leistung der abgeschalteten Reaktoren wurde durch einen konsequenten Ausbau der fluktuierenden erneuerbaren Energien ersetzt. „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Behauptung der europäischen AKW-Lobby, die Atomkraft würde eine besonders stabile Stromversorgung gewährleisten, keine fundierte Grundlage hat“, erklärt Greenpeace Energy-Vorstand Sönke Tangermann.

Das belegt auch der internationale Vergleich mit Staaten, die einen hohen Anteil an Atomstrom haben. So summierte sich die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung in Deutschland zuletzt auf gerade einmal auf zwölf Minuten, während sie 2006 noch 21 Minuten betrug. Frankreich – mit einem Anteil von 81 Prozent Atomkraft –  kam im Vergleichsjahr 2013 auf durchschnittliche Versorgungsunterbrechungen von 68 Minuten. Trotzdem planen nach wie vor europäische Länder wie Großbritannien oder Ungarn weitere AKW-Neubauten – und wollen diese mit hohen Milliardensummen subventionieren.

Kohle: Aus der Reserve gelockt

Auch im Hinblick auf die Reserveleistung aus Kohlekraftwerken für abgeschaltete AKWs spricht die Energy-Brainpool-Studie eine klare Sprache. Demnach kann schon 2020 durch eine effiziente Steuerung bei Biomasseanlagen, Haushalten und Industrieanlagen die Spitzennachfrage nach Strom um bis zu 4,4 Gigawatt reduziert werden. Entsprechend weniger der „gesicherten Leistung“ müsste dann aus fossilen Kraftwerken bereitgestellt werden. Bei der schrittweisen Reduzierung der Kohlereserve sieht die Brainpool-Studie eine Schlüsseltechnologie im Windgas- oder Power-to-Gas-Verfahren. Dabei wird Ökostrom per Elektrolyse in speicher- und nutzbaren Wasserstoff umgewandelt, der bei Bedarf auch wieder rückverstromt werden kann.

Kraftwerk, Photovoltaik, Windrder
Bei Wetterextremen mussten in der Vergangenheit konventionelle Kraftwerke gedrosselt oder heruntergefahren werden. Foto: fotolia

Konventionelle Energie kein Garant für Versorgungssicherheit

Windgas kann damit Stromüberschüsse im Netz kostengünstig abfedern und eine nachhaltige Reserve aus Ökostrom bereitstellen. Dafür ist aber eines nötig: „Die Politik muss jetzt dringend dafür sorgen, dass Power-to-Gas fossile Reserven verzichtbar machen kann.“ Damit ließe sich auch die Versorgungssicherheit weiter stabilisieren: Bei wetterabhängigen erneuerbaren Energien können Schwankungen nämlich deutlich besser ausgeglichen werden, als bestimmte Wetterereignisse bei konventionellen Kraftwerken.

Einerseits müssten in besonders heißen Sommern Kohlekraftwerke beispielsweise nicht selten abgeschaltet werden, weil ihr Kühlwasser sonst die Flusstemperatur zu stark erhöhen würde. Zum anderen können Schiffe die Kraftwerke in kalten Wintern über gefrorene Flüsse nicht mehr mit der Kohle versorgen, die sie zur Energieproduktion verbrennen. Für Thorsten Lenck von Energy Brainpool bestärkt dies das Fazit seiner Studie: „Ein hoher Anteil an konventioneller Erzeugungsleistung ist kein Garant für ein hohes Niveau an Versorgungssicherheit.“

INFO Die Kurzstudie von Energy Brainpool auf Deutsch und Englisch finden Sie im Pressebereich der Webseite von Greenpeace Energy.

 

Christoph Rasch
Christoph Rasch
Arbeitete lange als Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seit dem Frühjahr 2014 im Bereich Politik und Kommunikation bei Green Planet Energy tätig.