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EnergiewendeWindgasNeuartiger Windgas-Elektrolyseur in Haßfurt startet Testbetrieb

Neuartiger Windgas-Elektrolyseur in Haßfurt startet Testbetrieb

Die Städtischen Betriebe Haßfurt und der Hamburger Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy starten heute den Testbetrieb eines neuartigen Windgas-Elektrolyseurs. Die hochmoderne Anlage am Mainhafen wandelt überschüssigen Strom aus dem nahen Bürgerwindpark Sailershäuser Wald sowie aus weiteren Windenergie- und Solaranlagen in erneuerbaren Wasserstoff um. Pro Jahr wird der containergroße Elektrolyseur eine Million Kilowattstunden des Öko-Gases für die 14.000 proWindgas-Kunden von Greenpeace Energy ins Gasnetz einspeisen.

„Die Windgas-Technologie ist ein zentraler Baustein für das Gelingen der Energiewende“, sagt Greenpeace-Energy-Vorstand Nils Müller, „deshalb wollen wir mit den Erkenntnissen aus dem Betrieb unserer Anlage dazu beitragen, dieses Verfahren noch wirtschaftlicher zu machen und ihm so im großen Stil zum Durchbruch zu verhelfen.“

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Aus Wind wird jetzt Wasserstoff: Haßfurts Bürgermeister Günther Werner, Stadtwerk-Chef Norbert Zösch und Nils Müller von Greenpeace Energy, (v.l.n.r.) in der Elektrolyseurhalle. Fotos (3): Florian Jaenicke / Greenpeace Energy eG

Mit Windgas (auch Power-to-Gas genannt) wird Wind- und Sonnenstrom speicherbar: Wenn mehr erneuerbarer Strom produziert als verbraucht wird, kann er dazu verwendet werden, um per Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und klimafreundlichen Wasserstoff aufzuspalten. Statt erneuerbare Kraftwerke wie bisher abzuschalten, wenn das Netz deren Energie nicht aufnehmen kann, können die Überschüsse künftig als erneuerbare Gase gespeichert werden – in Form von Wasserstoff oder Methan.

Im Zuge der Energiewende werden die Stromüberschüsse aus Windkraft- und Solaranlagen stark anwachsen, belegen Studien. Mit Windgas lassen sich selbst in einem vollständig erneuerbaren Energiesystem längere windstille und sonnenarme Phasen von bis zu drei Monaten überbrücken. Die notwendige Kapazität für Versorgungssicherheit bei solchen „Dunkelflauten“ bietet in Deutschland einzig die Windgas-Technologie, die das normale Gasnetz samt seinen unterirdischen Lagern als Speicher nutzt. „Nur so lassen sich die deutschen Klimaziele erreichen und zugleich eine sichere Energieversorgung auch bei 100 Prozent Ökostrom realisieren“, betont Nils Müller. „Mit unserem Haßfurter Partner zeigen wir, wie sich dieses Prinzip erfolgreich in die Tat umsetzen lässt.“

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Plakatmotiv anlässlich des Test-Beginns.

Der in der fränkischen 14.000-Einwohner-Stadt eingesetzte 1,25-Megawatt-Elektrolyseur gehört zur neuesten Generation: Die reaktionsschnelle PEM-Anlage (PEM = polymer electrolyte membrane) produziert nicht nur Wasserstoff, sondern verhindert auch Ausfälle im lokalen Stromnetz, wo Erzeugung und Verbrauch immer im Gleichgewicht bleiben müssen. Auch dieses „Regelleistungsangebot“ wird jetzt am Main erprobt. „Der klimafreundliche Umbau unserer Energieversorgung ist nicht nur eine zentrale Aufgabe für die Bundesregierung, auch die Kommunen können dazu einen wichtigen Beitrag leisten“, sagt Norbert Zösch, Geschäftsführer der Städtischen Betriebe Haßfurt. „Wir erproben hier schon heute Elemente einer klimafreundlichen Zukunft: ein System aus erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarkraft sowie einem leistungsstarken Speicher. Beides zusammen garantiert die nötige Versorgungssicherheit für Privathaushalte ebenso wie für die Wirtschaft.“

Den neuen Elektrolyseur betreiben der Kommunalversorger und der bundesweit aktive Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy über die gemeinsame „Windgas Haßfurt GmbH & Co. KG“. Dabei testen die Partner unter anderem, wie hoch der Wasserstoffanteil im Gasnetz sein kann. Technische Regeln beschränken ihn bislang auf fünf Prozent. Die nahe Mälzerei Weyermann erprobt in ihrem firmeneigenen Blockheizkraftwerk nun ein Gasgemisch mit zehn Prozent Wasserstoff und erzeugt daraus Strom und Wärme.

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Greenpeace-Energy-Vorstand Nils Müller informiert die Journalisten auf der Pressekonferenz in Haßfurt.

„Wir als innovative Energieversorger gehen beim Windgas voran. Nur die Politik hat ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht und plant Power-to-Gas weder in ihre Energieszenarien noch im neuen EEG ein“, kritisiert Nils Müller. Dabei zeigen Studien, dass Windgas unverzichtbar ist, um in Zukunft auch im Verkehrssektor, in der Wärmeversorgung oder in der Chemieindustrie die CO2-Emissionen drastisch zu senken. „Dort hinkt Deutschland den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen noch weiter hinterher als im Strombereich“, sagt der Greenpeace-Energy-Vorstand.

„Wir werden jetzt selbst aktiv“, ergänzt der Haßfurter Stadtwerk-Chef Norbert Zösch, „und setzen mit diesem Pilotprojekt einen Meilenstein für die Energiewende im lokalen Rahmen.“ Zösch ist davon überzeugt, dass künftig auch viele andere Städte und Gemeinden die Potenziale der Windgas-Technologie nutzen werden.

Michael Friedrich
Michael Friedrich
hat nach der Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule rund 25 Jahre als Redakteur gearbeitet, unter anderem bei WDR, Spiegel TV, GEO und dem Greenpeace Magazin. Seit 2015 ist er als Pressesprecher von Green Planet Energy für die Energiewende aktiv.